30.07.2021

    Werkzeug-Inbetriebnahme in einer Stunde

    Die Feinwerktechnik hago GmbH setzt seit zwei Jahren zur Simulation des Teiledurchlaufs die Software DigiSim von Schuler ein – mit Erfolg

    2006 machte die Feinwerktechnik hago GmbH ernst und investierte in eine 1.250 Tonnen starke Transferpresse von Müller Weingarten. Schuler übernahm den Pressenhersteller ein Jahr später und lieferte seitdem viele weitere Anlagen. Zu all der Hardware kam im März 2019 die Software „DigiSim“, mit der sich der Teiledurchlauf in den Maschinen simulieren und optimieren lässt. Dadurch erhöht sich nicht nur die Ausbringungsleistung, sondern auch die Verfügbarkeit und Standzeit der Pressen und Werkzeuge.

    „Wir sind nun seit über 50 Jahren ein Zulieferer der Automobilindustrie“, erzählt Dierk Knoblauch, der seit mehr als drei Jahrzehnten bei hago arbeitet. Als er anfing, hatte die größte Umformanlage gerade einmal eine Presskraft von 160 Tonnen. Heute leitet der Prokurist den Bereich Betriebsmittelbau, zu dem der Werkzeugbau gehört – „vom Auftragseingang bis zur Serienproduktion“, wie er selbst sagt. Auf den Werkzeugen entstehen komplexe Strukturteile für namhafte Automobilhersteller und deren Zulieferer: „Eigentlich schade, dass man sie in den Fahrzeugen selbst kaum zu Gesicht bekommt“, bedauert Knoblauch.

    Dass nicht nur die Werkzeugkonstruktion, sondern auch die Simulation des Teiledurchlaufs am Computer sinnvoll ist, weiß Mitarbeiter Patrice Domigall aus seiner zwölfjährigen Erfahrung bei hago: „Einmal haben wir erst beim Produktionsstart gemerkt, dass eine Führungssäule einem Greifer im Weg war.“ Zur Kollision kam es glücklicherweise nicht, doch durch die Neuprogrammierung der Bewegungskurve ging die Hubzahl in den Keller. Die Folge: „Wir hatten hohe Nacharbeitskosten und konnten das Teil nicht mehr mit Gewinn produzieren.“

    Presse war früher einen halben Tag lang belegt

    Die Schuler-Software DigiSim hätte die sogenannte Störkontur gleich erkannt, weiß der Werkzeugkonstrukteur: „Hinzu kommt, dass sich die Inbetriebnahme neuer Werkzeuge spürbar beschleunigt.“ Früher sei eine Presse mindestens einen halben Tag lang belegt gewesen, um die Bewegungskurven zu programmieren: „Heute hat der Maschinenbediener vielleicht noch eine Stunde Arbeit, nachdem er von uns das Datenblatt bekommen und die Werte eingegeben hat.“ Seine Aufgabe sei es nur noch, alles einmal abzufahren und auf mögliche Kollisionen zu prüfen: „Da sind wir um Einiges besser geworden.“

    Auch sein Konstruktionskollege Matthias Vonderach, der wie Patrice Domigall eine Ausbildung zum technischen Zeichner bei hago gemacht hat und nun schon 20 Jahre dabei ist, kann sich an die Zeit vor DigiSim noch gut erinnern: „Wenn der Werkzeugraum nicht super ausgeleuchtet war, mussten bei der Inbetriebnahme sechs Leute um die Presse herum stehen und aufpassen.“ Sobald sich Greifer und Werkzeug gefährlich nahe kamen, musste einer die Hand heben: „Weil es sonst einfach teuer wird.“

    In der Simulation mit DigiSim werden die Sicherheitsabstände bereits berücksichtigt: „Der Maschinenbediener macht nur noch den Feinschliff. Theoretisch kann er aber auch gleich den Startknopf drücken.“ Das gilt ebenso für die 630-Tonnen-Servopresse, die hago an seinem Standort Iuka im US-amerikanischen Mississippi betreibt, so Matthias Vonderach: „Wir schicken das Datenblatt einfach rüber.“

    „Die letzten zwei Hübe sind entscheidend“

    Bereichsleiter Dierk Knoblauch will DigiSim künftig auch verstärkt bei der Angebotserstellung einsetzen: „Die letzten zwei Hübe im Vergleich zum Wettbewerb sind entscheidend, ob wir einen Auftrag bekommen oder nicht.“ Doch bei einem Angebot könne man sich auch mal verschätzen – mit schwerwiegenden Folgen: „Wer zwölf Hübe pro Minute verkauft hat und es partout nicht über zehn schafft, muss mit dem Ergebnis leben.“

    In den vergangenen drei Jahren hat hago auch einen Großteil der bestehenden Werkzeuge optimiert. „Wir sind da ganz bewusst noch mal rangegangen, um die Performance zu verbessern“, erklärt Konstrukteur Matthias Vonderach. „Bei DigiSim ist der Vorteil, dass ich die Optimierung im Vorfeld prüfen kann. Dadurch kann ich recht gut abwägen, ob es sich lohnt, das Geld zu investieren.“

    Am besten gleich bei der Konstruktion einsetzen

    Patrice Domigall nennt einen Beispielfall, bei dem es dank der Software innerhalb weniger Stunden gelang, die Produktionskosten zu senken: „Ohne viel zu tun, konnten wir eine Steigerung um drei Hub erzielen.“ Mit weiteren kleineren Maßnahmen – wie etwa dem Einsatz von Magneten für eine ruhigere Teilablage – ließ sich die Ausbringungsleistung zusätzlich erhöhen. Am besten sei es jedoch, das Werkzeug gleich von Grund auf auch mit Hilfe von DigiSim zu konstruieren: „Nacharbeit ist immer teurer, mühsam und zeitaufwendig.“

    Auch die Sicherheit beim Einfahren neuer Werkzeuge steige deutlich, unterstreicht Matthias Vonderach: „Wir gehen mit einem besseren Gefühl hin.“ Weil die Werkzeuge viel Geld kosten, sei immer auch ein wenig Nervosität dabei: „Aber mit DigiSim weiß ich, dass die Presse läuft, selbst wenn’s mal eng wird. Das beruhigt ungemein.“ Und es entlastet den Maschinenbediener, der sonst in einer lauten Umgebung und oft unter Zeitdruck die Presse programmieren muss. „Die Sicherheit steht doch über allem“, stellt Dierk Knoblauch fest. „Wenn es nur bei einem von zehn Werkzeugen zu einem Crash kommt, ist das schon einer zu viel.“

    Vollautomatische Optimierung in Vorbereitung

    Doch das System habe auch seine Grenzen, ergänzt Matthias Vonderach: „Die Realität sieht in Stahl und Eisen manchmal anders aus.“ Faktoren wie Massenträgheit und Schwingungen der Teile – die sich auch bei kleineren Dimensionen durchaus bemerkbar machen – werden derzeit noch nicht in der Software berücksichtigt. Schuler entwickelt DigiSim derzeit mit dem Ziel weiter, die einzelnen Optimierungsschritte zu automatisieren.

    Bei der Frage, welcher Greifer am besten zu welchem Teil passt, kommt es ebenfalls auf die Erfahrung der Konstrukteure an. „Die Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied“, bringt es Dierk Knoblauch auf den Punkt. Oft komme es auch darauf an, das Material gut in die erste Umformstufe hineinzubekommen. Eine leichte Prägung der Platine könne die Schwingung reduzieren: „Das zeigt Ihnen aber kein System, dazu braucht es den Praxisbezug des Konstrukteurs.“

    Harmonische und weiche Übergänge

    „Wir versuchen, in der Theorie das Maximum herauszuholen“, beschreibt Matthias Vonderach seine Arbeit. „Der Maschinenbediener gibt die Werte ein und taktet dann langsam hoch.“ „Selbst wenn er dann zum Beispiel nur 20 anstatt 25 Hub erreicht, laufen die Bewegungskurven erfahrungsgemäß ruhiger als wenn er sie von Hand programmiert hätte“, ergänzt Patrice Domigall. Die Software würde automatisch harmonische und weiche Übergänge berechnen, zeigt sich Dierk Knoblauch begeistert: „Das sieht man richtig, wenn man davor steht.“

    „Das schont nicht nur die Maschine, sondern spart auch Energie“, zählt Matthias Vonderach weitere Vorteile auf. „Das ständige Beschleunigen und Abbremsen verbraucht ja viel davon.“ Alle drei ziehen deshalb ein rundum positives Fazit nach zwei Jahren Erfahrung mit DigiSim: „Das ist einfach eine professionelle Art und Weise, eine Transferpresse zu betreiben“, fasst Patrice Domigall abschließend zusammen.

    Ein kurzes Video zum Einsatz von DigiSim bei hago finden Sie hier.


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